Jehovas Zeugen in Frankfurt
Den ersten Vortrag der „Internationalen Bibelforscher-Vereinigung“ in Frankfurt besuchten 1910 über 300 Personen. Marie Schättle gehörte zur ersten Bibelforscher-Gruppe, die 1925 bereits über 200 Personen zählte (Stadt und Umgebung ohne Offenbach). Die Film- und Lichtbild-Vorführungen des „Photo-Dramas der Schöpfung“ (1914) und des „Schöpfungsdramas“ (1930 im überfüllten Hippodrom) machten die christliche Religiongemeinschaft bekannt. 1931 versammelte sich die Gemeinde im Alten Gewerschaftshaus und stimmte dem neuen Namen „Jehovas Zeugen“ zu. Durch sonntägliche Missionsfahrten mit einem Mineralwasser-LKW verbreitete sie ihre Glaubenslehren bis in den Taunus, den Odenwald und an den Rhein.
Sofort nach dem Verbot der Bibelforscher-Vereinigung am 19. April 1933 schloss die Polizei den Versammlungsraum in der Vilbeler Straße 4, beschlagnahmte die dortige Wachturm-Literatur und den wertvollen „Schöpfungsdrama-Lichtbildapparat, wobei er beschädigt wurde.
Die Adressen der rund 2.000 Abonnenten der Zeitschrift „Das Goldene Zeitalter“ fand die Polizei nicht – der Verteiler war getarnt. Das Verbot schüchterte die Zeugen Jehovas nicht ein. „Einmütig versammelten wir uns in meiner Wohnung mit allen Brüdern, um gegen die Behinderung unserer Gottesdienstfreiheit zu protestieren“, berichtet Adolf Krämer, der in der Mainzer Landstrasse 606 wohnte, über die landesweite Aktion vom 7. Oktober 1934. „Telegramme wurden nach Berlin gesandt.“ Bald ging die Gestapo bei vielen Gläubigen ein und aus. Doch „wir predigten weiter, so gut es ging“, schrieb Adolf Krämer, und „abwechselnd kamen wir in kleinen Gruppen zusammen.“
Am 12 Dezember 1936 führten sie aus Protest eine spektakuläre Flugblattaktion durch, und einige wiederholten die Briefkastenaktion im Februar 1937. Nach einer Gruppentaufe (5 neue Zeugen Jehovas) schlug die Gestapo zu – im März 1937 verhaftete sie 40 Gläubige, unter ihnen Marie Schättle. Sie durchlief die Frauen-KZ Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück, wobei sie nach eigenen Worten „Hunger, Kälte, Entbehrung“ erduldete.
Das Frankfurter Sondergericht verhandelte gegen insgesamt 188 Zeugen Jehovas. Am 14. April 1937 fand der erste von drei großen Bibelforscherprozessen (62 Angeklagte) statt. Die Presse berichtete darüber.
Adolf Krämer gehörte zu den Verurteilten, und er sollte seine Familie – bei seiner Verhaftung am 16. März 1937 hatte er seine schwangere Frau und zwei kleine Kinder zurückgelassen – erst 98 Monate später, nach der Befreiung aus dem KZ Buchenwald im Mai 1945, wieder sehen. Der wegen seines Glaubens aus dem Dienst als Postschaffner entlassene Valentin Steinbach aus der Schwarzburgstrasse 26 war die Höchstdauer von 109 Monaten inhaftiert (KZ Lichtenburg, Buchenwald und Mauthausen). Die inhaftierten Zeugen Jehovas konnten ihre Freiheit durch eine Unterschrift erlangen, wenn sie ihrem Glauben abschworen, doch nur sehr wenige unterschrieben.
Formular der SS für Zeugen Jehovas im KZ: mit der Unterschrift gaben sie ihren Glauben auf um entlassen zu werden.
Nach der Befreiung 1945 kehrten die Frankfurter Zeugen Jehovas aus der Haft zurück und begannen bald wieder mit ihrer Missionstätigkeit. Die Nachkriegsgemeinde bestand aus 250 Gläubigen. Heute gibt es über 2.000 Zeugen Jehovas in der Stadt.
Zusätzliche Stichwörter
Ereignisse: Verbot der Zeugen Jehovas;
Personen: Martin Bertram;
Erika und Günter Krämer, Jehovas Zeugen, Geschichtsforschung Frankfurt am Main
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